Der “Heildiener”.
Niedernhausen im Odenwald.


Nein, es ist kein Geistlicher. Hierbei handelt es sich um die völkische Bezeichnung für einen Heilgehilfen.

In einer Zeit, als es noch nicht die medizinische Versorgung der Gegenwart gibt, sind die Heilgehilfen wichtige und gefragte Menschen bei allerlei Beschwerden im dörflichen Umfeld.

Man kann vielleicht von einer Art „Sanitäter“ sprechen. Dieser kümmerte sich um die nicht zu schwierigen Fälle im Dorf.

Dies ist auch wichtig, denn Ärzte gibt es wenig und längst nicht in jedem Dorf. Bis dieser mit der Kutsche kommt, kann es schon zu spät sein.

Also gibt es Heilgehilfen, die eine Erstversorgung übernehmen.


In Niedernhausen ist dieser Begriff untrennbar mit Johann Ludwig Schröbel verbunden. Mein Ururgroßvater ist einer jener Heildiener.

Im 19. Jahrhundert, der Zeit in welcher Ludwig lebt, führt ein Heildiener kleinere Eingriffe durch und hier im Ort stellt er auch die Todeszeugnisse aus.

Ludwig wird 1827 in Niedernhausen geboren, er ist Nagelschmiedemeister wie sein Vater. Nach seiner Heirat mit Margarete Hechler im Jahr 1858 errichtet er ein Anwesen in der heutigen Darmstädter Straße. Das Paar hat über die Zeit zehn Kinder, davon sechs Jungen und vier Mädchen. Zwei hiervon wandern in die Vereinigten Staaten aus.

Aus welchen Gründen er sich als Heilgehilfe bewirbt ist nicht bekannt. Letztlich stellt er, neben seinem Verwandten Peter, ein Gesuch zur Zulassung.

Prüfung zum Heilgehilfen.
Am 8.1.1853 in Groß-Bieberau.


Es müssen Fragen beantwortet werden wie:

  • Welche Vorbereitungen sind erforderlich zu einem Aderlass?
  • Welche Gefahren sind mit dem Aderlass verbunden?
  • Aus was für einem Grund wird eine Kompressionsbinde angelegt?
  • Woran erkennt man die Verletzung einer Schlagader?
  • Was ist zuerst zu tun bei Verletzung der Schlagader?
  • Wie wird die Blutung bei Blutegelwunden gestillt?
  • Wenn die Blutung am Hals bei Kindern auf gewöhnlichem Wege nicht zu stillen ist, welche Mittel sind dann anzuwenden?

Danach ist Ludwig im Ort als Heildiener aktiv, dazu noch als Nagelschmiedemeister und als Leichenbeschauer. Auch bei Zahnbeschwerden steht er hilfreich zur Seite und als Musikant ist er auch bekannt.

Sein Wirken ist in Niedernhausen so prägend, dass noch bis in die Gegenwart sein ehemaliger Besitz als „´s Heildienersch“ tituliert wird.

Wenn auch der Familienname nicht mehr dort verwendet wird.

Ludwig verstirbt im Jahr 1889 in Niedernhausen.